Walburgiskapelle – Friedlich, besinnlich und mitten in der Natur
Still liegt der Wald. Nur die Blätter flüstern im Wind, Vögel zwitschern. Auf dem Kapellenberg, hoch über dem Ort Weschnitz, ist das Kirchlein schon aus der Ferne zu erkennen. Am Fuße des Berges angekommen, werden die Besucher von einem breiten Treppenaufgang empfangen: Wer hier hinauf will, braucht ein bisschen Kondition. Dafür wartet am Ziel ein einzigartiger Ausblick über tiefe Wälder und Schluchten bis zum malerisch gelegenen Lindenfels – und die Walburgiskapelle, ein verstecktes, besonderes Kleinod mitten im Odenwald.
Der erste Beleg zum Bau der Kapelle stammt aus dem Jahr 1671. Im 11. Jahrhundert n. Chr. erreichte der Kult um die Heilige Walburga (ca. 710–779 n. Chr.) seinen Höhepunkt; bis heute wird sie wegen ihrer wundersamen Krankenheilungen verehrt. Vor allem dort, wo der katholische Benediktinerorden wirkte, widmete man der Ordensschwester viele Bauwerke.
Geboren wurde Walburga in England, gestorben ist sie im fränkischen Heidenheim. Den größten Teil ihres Lebens verbrachte die ungewöhnliche Ordensfrau jedoch in Tauberbischofsheim, weshalb sie seit jeher besonders im Odenwald verehrt wurde. Nicht nur die Kapelle bei Fürth trägt ihren Namen; Walburga ist zugleich Schutzpatronin des Weschnitztals rund um „ihre“ kleine Kapelle.
Weil der Zahn der Zeit leider auch vor heiligen Bauwerken nicht halt macht, begannen im Sommer 1932 freiwillige Helfer mit der dringend notwendigen Instandsetzung des Kirchleins. Fuhrleute karrten mühsam Holz und Steine teils von weit her auf den Berg – allein von der Weschnitz unten im Tal rund 100 Wasserfuhren.
Die Arbeiten gingen zügig voran: Bereits im Spätjahr 1932 wurde das Kirchlein, noch im Rohzustand, feierlich wieder geweiht. Im darauffolgenden Jahr erklang pünktlich zur traditionellen Bauernwallfahrt am Hagelfeiertag, dem Tag nach Christi Himmelfahrt, erstmals ein neues Walburgisglöckchen.
Dann kamen die Nationalsozialisten und der Bau des kleinen Gotteshauses geriet ins Stocken. Erst im August 1937 konnte der Abschluss der Restaurierung gefeiert werden. Doch die Freude darüber hielt nicht lange: Im Krieg wurde die Wallfahrt verboten, das Kirchenglöckchen zur Herstellung von Waffen und Kanonen eingeschmolzen. Im März 1945 geriet die Kapelle dann selbst unter Beschuss, nahm dabei aber glücklicherweise nur wenig Schaden.
Vier Jahre nach Kriegsende spendierte die Kirchengemeinde Hammelbach, der die Kapelle seit 1925 zugeordnet war, ein neues Glöcklein. Seit den 1970er-Jahren gehört die Wallfahrtsstätte wieder – wie jahrhundertelang zuvor – zur Mutterkirche Fürth, woher auch einst das stimmungsvolle Walburgislied kam:
Jungfrau, die wir hier verehren
auf dem Berge dir geweiht,
wolltest unsere Bitte hören,
wie du tatest alle Zeit!
Halte schützend deine Hände,
über unseren Odenwald,
alles Unheil von uns wende,
wenn wir rufen Jung und Alt:
O Walburga, o Walburga:
Schütze unseren Odenwald!
Traditionell erklingt das Walburgislied auch heute noch zum Abschluss eines jeden Gottesdienstes. Die Schutzpatronin ist allgegenwärtig. Seit ein paar Jahren überragen Windräder die Kapelle, trotzdem hat der Ort seinen Reiz nicht verloren: Jedes Jahr am 1. Mai pilgern Gläubige aus dem Weschnitztal und von der Bergstraße zur heiligen Walburga auf den Kapellenberg, um im feierlichen Gottesdienst ihrer Heiligsprechung zu gedenken.
Auch für Wanderer auf dem Nibelungensteig ist die Kapelle eine willkommene Zwischenstation. Der Fernwanderweg führt sie quer durch den Odenwald, vorbei an Sehenswürdigkeiten wie dem Ohlyturm auf dem Felsberg, dem Felsenmeer im Lautertal und eben auch der Walburgiskapelle. Andere kommen, um zu beten, zu danken oder eine Kerze zum Gedenken an Verstorbene anzuzünden.
Ein Team aus ehrenamtlichen Helfern hält die Kapelle liebevoll in Schuss und öffnet zu festgelegten Zeiten ihre Türen. Immer beim Auf- und Zuschließen lassen die Kapellenpförtner*innen das Glöckchen läuten, bis sein helles Bimmeln den Wald rund um die Walburgiskapelle erfüllt. Und an manchen Tagen trägt es der Wind weit über das Weschnitztal, zur Erinnerung an die Heilige Walburga.
Text: Rüdiger Ofenloch