LAMMERSHOF – The Wild Side im Odenwald
Einen Bison-Burger gefällig? Kräftig-deftig und so voluminös, dass man fast schon den Rachen eines Drachen braucht, um einen Happen davon abzubeißen? In Löhrbach im hessischen Odenwald hat’s den Fleischklops im Landhotel Lammershof neben diversen anderen Bison-Gerichten auf der Speisenkarte — und zwar aus eigener Schlachtung.

Bisons im Odenwald? Jene majestätisch-mächtigen Wildrinder, wie man sie sonst vornehmlich aus nordamerikanischen Western oder Abenteuerfilmen kennt? Genau diese amerikanischen Präriebisons haben Matthias Berg und seine Frau Darina für den Lammershof in der Abtsteinacher Straße in Birkenau-Löhrbach gewählt, um ihren Gästen kulinarisch eine Seltenheit in hiesigen Breiten zu bieten. Für den Ingenieurswissenschaftler Matthias Berg ist ein seit Studienzeiten gehegter Traum in Erfüllung gegangen.

Seit elf Generationen und über drei Jahrhunderten ist der 1709 erbaute Hof in Familienbesitz. Matthias Berg ist auf dem Lammershof geboren und aufgewachsen. Ursprünglich ist es das Wohnhaus des einstigen Bauernhofs, bis die Eltern einen neuen Hof bauen. Berg erinnert sich lebhaft, wie improvisiert vieles zu Anfang ist: Lange Zeit gibt’s nur eigenen Strom aus Wasserkraft, der öfter mal ausfällt, sodass der junge Matthias und sein Bruder die Schulaufgaben bei Kerzenlicht schreiben müssen. »Wir hatten keinen Fernseher und auch keine sanitären Anlagen im Haus.«

Das Leben als Kind und Heranwachsender auf dem Lammershof hat ihn »sehr geprägt«. Die Mithilfe in der Landwirtschaft seiner Eltern und beim Bau des neuen Hofes lässt in ihm sehr früh eine strukturierte pragmatische Denkweise reifen und die Fähigkeit, eine Aufgabe zielorientiert durchzuführen — Grundstein für seinen späteren wirtschaftlichen Erfolg. »Ohne den wäre das Projekt Lammershof in dieser Weise nicht machbar gewesen.«


Nach dem Abitur studiert er an der TU Darmstadt Maschinenbau und ist später in der angewandten Forschung bei der Fraunhofer-Gesellschaft tätig. Während jener Zeit schreibt er nach Feierabend, an den Wochenenden und im Urlaub parallel zum Berufsleben seine Doktorarbeit und promoviert schließlich an der TU München. Die anschließende Tätigkeit in der Industrie führt ihn sehr schnell in die USA. Außerdem sammelt er berufliche Erfahrung in China, Südafrika und Osteuropa.

Praktisch nebenbei verfolgen er und seine im bulgarischen Sofia geborene und aufgewachsene Frau, die in Mannheim Wirtschafts-wissenschaften studiert hat, die Projektentwicklung des Lammershofs von der Gestaltung bis zur Genehmigung, und 2011 schließlich beginnt das Ehepaar Berg mit den Sanierungs- und Bauarbeiten, die sich nach erst nach fünf Jahren zu Ende neigen.






Die Schwierigkeit bei der Umsetzung besteht nicht nur in der Restaurierung des denkmalgeschützten Fachwerk-Bauernhauses, sondern auch darin, die Neubauten und die gesamte Infrastruktur bei der schwierigen Hanglage zu errichten und architektonisch einzufügen.



Darina Berg zeigt sich bescheiden und merkt an: »Mein größter Beitrag war der, den richtigen Architekten zu finden, dem es in der Außengestaltung des Lammershofs gelungen ist, die Symbiose aus denkmalgeschütztem Altgebäude und den Neubauten zu finden und damit auch genau die Vorstellungen der Genehmigungsbehörden zu treffen. Petko Marinov ist ein langjähriger Geschäfts-freund meines Vaters und ein erfolgreicher Architekt in Bulgarien.«

Matthias Berg umreißt einen nicht unwichtigen Aspekt in Sachen Klimaschutz und Nachhaltigkeit: »Der Grundgedanke war, Wiesen, Weiden und Wälder unter Achtung der Natur als Ganzes und unter Beachtung ökologischer Grundsätze zu bewirtschaften. Dazu mussten nur noch die passenden Tiere gefunden werden.« Neben den Bisons bevölkern auch Rothirsche und schottische Galloway-Rinder das rund 45 Hektar große Anwesen der Familie.







Die für Freilandhaltung prima geeigneten robusten Galloways aus dem schottischen Süden sind im Grunde aus der Not heraus angeschafft worden, weil einige Bereiche des Hofs behördlicherseits nicht bisongerecht eingezäunt werden dürfen und die Weidefläche somit anderweitig genutzt werden muss. Damit ergibt sich aber zugleich ein weiterer Küchenvorteil, denn Galloway-Fleisch gilt Gourmets als Delikatesse. Der Bison ist eine ebensolche und hat zudem weniger Cholesterin als Rind oder Schwein und sogar weniger Kalorien als Hähnchen.






Überdies braucht der Bison als halbwildes Tier keine Stallungen. Ohne Stall fällt auch keine Gülle an. Pestizide und Kunstdünger werden nicht benötigt, und das Gelände muss nicht gemäht werden. Das hat wiederum eine positive Auswirkung auf die Bodenbrüter im Tal, die durch die nicht nötige Mahd ein Refugium haben.
Wichtig sind den Bergs der Respekt vor dem Tier sowie Regionalität und Saisonalität. Die Tiere werden möglichst komplett verwertet. Dazu gibt es sogar eine eigene Fleischmanufaktur. Artgerechte Tierhaltung ohne Einsatz von Wachstumshormonen ist von größter Bedeutung. »Das Schlachten der Tiere durch Kugelschuss auf der Weide und die Verarbeitung in der eigenen Fleischmanufaktur sind wesentliche Elemente unseres Gesamtkonzeptes.«
Auf diese Weise greift auf dem Lammershof allerlei Vorbildliches ineinander. »Die Heizung und Warmwasserversorgung des Landhotels erfolgt ausschließlich mit Holzhackschnitzeln, die aus Altholz aus den eigenen Wäldern selbst hergestellt werden. Auch haben wir einen Großteil der Möbel und Einrichtungen wie beispielsweise die massiven Eichen-Waschtische in unserer Holzwerkstatt selbst hergestellt mit Holz aus den eigenen Wäldern.« Die Abfälle aus der Küche wiederum werden mit einer Nassmüllanlage entsorgt und können für die Biogasproduktion weiterverwendet werden.




»Der Lammershof ist in Deutschland das einzige Landhotel, wo man als Gast speisen und bei einem Blick nach draußen — mit etwas Glück — die Bisons vorbeiziehen sehen kann», sagt Matthias Berg. »Das gastronomische Angebot reicht von der Bisonwirtschaft auf der ersten Gartenterrasse bis hin zum Gourmet-Restaurant Wildberg, wo sich die Feinschmecker zuhause fühlen.«


Seit Januar 2020 ist Kenneth Rentschler der neue Küchenmeister im Lammershof. Dem 32-jährigen Meisterkoch mit schwäbisch-philippinischen Wurzeln obliegt damit sowohl die Aufsicht über die gutbürgerlich ausgerichtete Küche in dem Restaurant STUBEN als auch das Gourmet-Restaurant WILD X BERG. Seine Sporen verdiente er sich zuvor in Spitzenrestaurants wie der Speisemeisterei in Stuttgart und dem Ophelia in Konstanz.
Ein enger Bezug zwischen dem Restaurant und dem Odenwald liegt Rentschler sehr am Herzen. »Es hat mir immer viel Spaß gemacht, mit regionalen Herstellern zu arbeiten, und das mache ich auch im Lammershof.« Das Prinzip fasst er mit dem Slogan »farm to table« zusammen. Transparenz ist ihm wichtig, die Gäste sollen wissen, woher die Produkte kommen, die bei ihnen auf dem Tisch landen. Einige Partner hat er dafür bereits gefunden, so etwa die Molkerei Hüttental oder die Forellenzucht Burkhard-Heilmann, die ebenfalls im Mossautal ansässig ist. »Ich arbeite sehr gern mit kleinen Herstellern zusammen«, erklärt der Meisterkoch. »Aber die sind im Odenwald gar nicht so einfach zu finden, da sie im Internet oft kaum präsent sind. Durch die Corona-Krise sind leider viele Veranstaltungen ausgefallen, auf denen lokale Anbieter normalerweise ihre Produkte anbieten. Da hätte ich mich gerne mal umgesehen.« Und er fügt hinzu: »Hier hat mir Mundpropaganda sehr geholfen«.


Das Bisonfleisch wird sowohl im Gourmet-Restaurant als auch in den gemütlich-urigen STUBEN serviert. Es ist wesentlich magerer und sehr reich an Mineralstoffen und Eisen. Die Verkaufspolitik folgt dem Motto »nose to tail«: Alle kulinarisch nutzbaren Teile des Tieres werden verarbeitet und landen auf den Tellern der Gäste. Darauf legt Rentschler großen Wert. »Für mich steht im Vordergrund, dass das Tier komplett verwertet und nichts weggeworfen wird«, so der junge Koch mit den markanten Tattoos auf dem rechten Arm.

In den Stuben setzt er neben dem Bison-Burger auf traditionelle, gutbürgerliche Gerichte wie Schmor- oder Zwiebelrostbraten. Als Vorspeisen kommen Kürbissuppe, Carpaccio vom eigengereiften Galloway-Rind oder Belugalinsensalat mit Bisonschinken infrage. Vegetariern empfiehlt Rentschler Spinat-Bergkäseknödel mit Rahmpilzen und frischen Kräutern. Für die Fans fleischloser Burger hat er eine vegane Alternative entwickelt. »Da besteht der Patty aus Süßkartoffeln, Kichererbsen, Mais, Blumenkohl und Karotte.« Die Speisekarte präsentiert eine breite Palette an Beilagen. Neben knusprigen Kartoffelecken stehen Kartoffelstampf, Laugen- oder Serviettenknödel und Trüffel-Pommes zur Auswahl. »Selbstverständlich gibt es aber auch Spätzle, natürlich selbstgemacht“, wie Rentschler lachend anmerkt. »Als Schwabe ist das für mich Pflicht«.








Auch im WILD X BERG, dem Gourmet-Restaurant des Lammershofs, wird der Chefkoch selbst am Herd aktiv. Er setzt dabei auf eine extravagante Fusionsküche mit ostasiatischen Einflüssen. »Sicher spielt da auch mit rein, dass ich zum Teil selbst Wurzeln in dieser Region habe. Aber gerade die japanische Küche erlebt zurzeit einen enormen Hype in Deutschland.« Für den Gourmetbereich gilt jedoch ebenfalls, dass die Zutaten soweit wie möglich aus dem Odenwald kommen sollen. Die Gäste können sich also auf allerlei kulinarische Abenteuer freuen.

Aufgrund dreier mit modernster Technik ausgestatteter Tagungs- und Veranstaltungsräume beherbergen und verköstigen die Bergs eine große Zahl von Geschäftskunden regionaler und überregionaler Unternehmen.
Die finden auf dem Lammershof ein einladendes Ambiente vor zwischen rustikaler Tradition inklusive Hirschgeweih an der Wand und gediegener Moderne im Interieur, was auch für den Hotelbereich gilt: Elf komfortable Zimmer, davon acht im Fachwerkhaus und drei großzügige Gästezimmer im Anbau, bieten »zeitgemäße Wohnkultur zum Wohlfühlen« mit natürlichen Materialien und maßgeschreinerten Möbeln aus der eigenen Holzwerkstatt.




Nur eines gibt’s nicht auf dem Lammershof: »Wir werden häufiger nach Bisonmilch gefragt, können damit jedoch nicht dienen. Nicht dass Bisonkühe keine Milch gäben, nur hat es bisher noch niemand geschafft, sie zu melken«, erzählt Matthias Berg.
Wenn am Wochenende Zeit übrig ist, wandern die Bergs gerne vom historischen Grenzweg über den von ihnen wiederhergestellten Wanderweg zur Buchklinger Höhe und genießen von dort »den wunderschönen Ausblick«.
Text: Mike Seifert





Lammershof
Abtsteinacher Str. 2
69488 Birkenau-Löhrbach
Tel. +49 (0)6201 845 030
E-Mail: info@lammershof.de
Website: www.lammershof.de
Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag ab 17:00 Uhr
Samstag, Sonntag und an Feiertagen durchgehend warme Küche ab 12:00 Uhr
Hotel
7-tägig geöffnet
Bild-Beitrag:
Galloways beim Abstieg über die Buchklinger Höhe
Viehabtrieb von Galloway-Rindern mit Weinwanderung & Vesper im goldenen Oktober rund um den Lammershof.